Das Kochen von 1900 bis 1980 in Stadt und Land: Eine Zeitreise durch Küchen, Esskultur und Gesundheit
Von 1900 bis 1980 veränderte sich die Art und Weise, wie Menschen in Österreich, Deutschland und anderen Teilen Europas kochten und aßen, tiefgreifend. Diese Veränderungen spiegelten technologische Fortschritte, gesellschaftliche Umwälzungen und neue Ernährungstrends wider. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die Entwicklung der Esskultur, Küchengeräte, Kochgewohnheiten und deren Auswirkungen auf die Gesundheit.
1. Kochen und Esskultur um 1900
Stadt vs. Land: Traditionelle Ernährung und Zubereitung
Im Jahr 1900 war der Lebensstil auf dem Land und in der Stadt noch sehr unterschiedlich. Auf dem Land lebten viele Menschen in agrarisch geprägten Gemeinschaften und betrieben Subsistenzwirtschaft. Die Zutaten für die Mahlzeiten stammten häufig aus dem eigenen Garten oder der eigenen Viehhaltung. Brot, Butter, Käse, Eintöpfe, Suppen und Kartoffeln bildeten die Grundnahrungsmittel, ergänzt durch saisonales Gemüse und gelegentlich Fleisch. Die Küche war einfach, aber herzhaft, und Kochen erfolgte über dem offenen Feuer oder in einfachen Holzherden. Auf dem Land war es üblich, gemeinsam am großen Tisch zu essen, oft nur mit Löffeln und Schalen.
In der Stadt war die Esskultur hingegen stärker von industriellen Entwicklungen geprägt. Mit dem Aufkommen des Eisenbahnnetzes wurden mehr Lebensmittel in die Städte importiert, was die Verfügbarkeit von Waren erhöhte. Arbeiterfamilien ernährten sich jedoch oft von günstigeren und weniger abwechslungsreichen Mahlzeiten. Suppen, Brot, und Wurst waren beliebte Nahrungsmittel, während Fleisch und Obst eher Luxusgüter blieben. Tischsitten waren formeller als auf dem Land, vor allem in der bürgerlichen Mittelschicht.
2. Technische Entwicklungen und ihre Auswirkungen
Frühe 20. Jahrhundert: Der Herd und die Mechanisierung des Kochens
Die technologische Entwicklung nahm in den Städten schneller Fahrt auf als auf dem Land. Gasherde kamen ab den 1920er-Jahren vermehrt in städtische Haushalte, was das Kochen effizienter machte. Auf dem Land hielt sich der Holzherd jedoch noch lange. Weitere technische Innovationen wie die mechanische Buttermaschine oder Fleischwölfe verbesserten die Effizienz der Nahrungsmittelproduktion auf Höfen und in Haushalten.
1950er- bis 1970er-Jahre: Elektrifizierung und moderne Küchengeräte
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte das Kochen eine Revolution. Elektrizität erreichte flächendeckend Stadt und Land, was die Einführung von elektrischen Küchengeräten wie Kühlschränken, Elektroherden, Handmixern und Kaffeemaschinen ermöglichte. Kühlschränke veränderten die Lagerung von Lebensmitteln grundlegend und ermöglichten es, frische Produkte länger zu halten und Reste zu konservieren. Damit änderte sich auch die Art der Ernährung, denn nun konnten größere Mengen eingekauft und über mehrere Tage hinweg verarbeitet werden.
Tischsitten: In den 1950er- und 1960er-Jahren legten sowohl auf dem Land als auch in der Stadt viele Familien großen Wert auf ein gemeinsames Mittagessen, bei dem alle am Tisch saßen und oft traditionelle Gerichte wie Eintöpfe, Sonntagsbraten oder Gemüsesuppen serviert wurden.
3. Zutaten und Gerichte im Wandel
Traditionelle Gerichte: 1900 bis 1950
Zwischen 1900 und 1950 dominierten in Deutschland und vielen europäischen Ländern weiterhin traditionelle Gerichte. Auf dem Land basierten die Mahlzeiten oft auf den verfügbaren Zutaten: Kartoffeln, Kohl, Bohnen, Getreideprodukte und gelegentlich Fleisch. Die Stadtbevölkerung konsumierte ähnliche Produkte, jedoch ergänzt durch Lebensmittel, die durch die fortschreitende Industrialisierung günstiger wurden, wie Zucker und importierte Gewürze.
Typische Gerichte dieser Zeit waren:
- Kartoffelsuppe
- Erbseneintopf
- Schwarzbrot mit Butter und Wurst
- Hering und Sauerkraut
1950 bis 1980: Fertiggerichte und Globalisierung der Küche
In den 1950er-Jahren kam mit dem Wirtschaftswunder auch der kulinarische Wandel. Fertiggerichte, Tiefkühlprodukte und Dosenkonserven wie Ravioli, Fischstäbchen oder Dosensuppen wurden populär, besonders in städtischen Haushalten. Das Kochen wurde schneller und bequemer, da viele Hausfrauen zunehmend außerhäuslich arbeiteten. Ein weiteres Phänomen war die verstärkte Globalisierung der Küche: Italienische, griechische und türkische Einflüsse fanden zunehmend ihren Weg auf den Teller, während man gleichzeitig noch stark an traditionellen deutschen Gerichten festhielt.
Tischsitten: Ab den 1960er-Jahren wurde das Essen oft weniger formell, besonders in der Stadt, wo Schnellimbisse und Fast Food populär wurden.
4. Aufkommen von Fertiggerichten und deren Auswirkungen auf die Gesundheit
Fertiggerichte: Eine doppelte Entwicklung
Fertiggerichte machten das Kochen zwar schneller und einfacher, aber ihre Auswirkungen auf die Gesundheit waren ambivalent. Sie enthielten oft hohe Mengen an Zucker, Salz und Fett, was im Laufe der Jahrzehnte zu einer signifikanten Zunahme von Fettleibigkeit und anderen Zivilisationskrankheiten beitrug. Besonders in der städtischen Bevölkerung stiegen mit der Zunahme von Fertiggerichten die Kalorienaufnahme und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Gesundheitsstudien und Gewichtszunahme
Eine Studie des Robert Koch-Instituts zeigt, dass sich der Body-Mass-Index (BMI) der deutschen Bevölkerung zwischen 1960 und 1980 stetig erhöhte. Ein signifikanter Anstieg von Übergewicht war vor allem in städtischen Gebieten zu verzeichnen, wo Fertiggerichte und verarbeitete Lebensmittel verbreiteter waren. Zudem wurden weniger körperliche Arbeiten ausgeführt, was den Energiebedarf reduzierte, während die Kalorienaufnahme durch industriell gefertigte Nahrungsmittel zunahm.
Ländliche Bevölkerungsschichten waren zwar oft von der zunehmenden Industrialisierung des Essens weniger betroffen, doch auch hier führte der zunehmende Wohlstand nach dem Zweiten Weltkrieg zu veränderten Essgewohnheiten, die das Risiko von Übergewicht und Bluthochdruck erhöhten.
5. Fazit: Stadt und Land im Wandel der Küche
Zwischen 1900 und 1980 veränderten sich das Kochen, die Esskultur und die Küchentechnik in Stadt und Land grundlegend. Von handgefertigten, regionalen und saisonalen Mahlzeiten hin zu industriell produzierten Fertiggerichten zeichnete sich ein grundlegender Wandel ab. Während dieser Wandel das Leben in vielen Aspekten vereinfachte, führten die neuen Ernährungsgewohnheiten auch zu gesundheitlichen Problemen, insbesondere in städtischen Gebieten.
Die Unterschiede zwischen Stadt und Land wurden im Laufe der Jahrzehnte immer kleiner, und während die ländlichen Gebiete anfangs noch stärker an traditionellen Methoden festhielten, holten sie in den 1970er-Jahren bei der Nutzung moderner Geräte und Fertiggerichte auf.
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