Wandel der Damenwäsche 1960-1980

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Wandel der Damenwäsche 1960-1980: Von Korsett zur Freiheit

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Die Revolution der Unterwäsche: 1960-1980

Die zwei Jahrzehnte zwischen 1960 und 1980 markieren eine der faszinierendsten Epochen in der Geschichte der Damenwäsche. Was als streng funktionale, formgebende Unterbekleidung begann, entwickelte sich zu einem Symbol für Selbstbestimmung und weibliche Emanzipation. Diese Periode spiegelt nicht nur modische Trends wider, sondern erzählt auch die Geschichte eines gesellschaftlichen Umbruchs.

Die frühen 1960er: Das Ende einer Ära

Zu Beginn der 1960er Jahre dominierte noch immer das Erbe der 1950er die Unterwäscheschubladen der Damen. Die gehobene Gesellschaft schwor auf Miederwaren von europäischen Luxusmarken wie Triumph und Chantelle. Diese formgebenden Wunderwerke aus Gummi, Fischbein und straffen Stoffen modellierten den Körper zur begehrten Sanduhrform – schmal in der Taille, betont in Brust und Hüfte.

Die bürgerliche Dame trug Hüfthalter, Korsagen und Büstenhalter mit spitzen Körbchen, die der Brust eine kegelförmige Silhouette verliehen. „Meine Großmutter erzählte mir einmal, dass sie für besondere Anlässe bis zu einer Stunde brauchte, um all ihre Unterwäsche anzulegen,“ berichtet die Modehistorikerin Helga Meier. „Es war wie eine Rüstung, die man anlegte, bevor man sich in die Gesellschaft wagte.“

In ländlichen Gebieten hingegen blieb die Damenwäsche praktischer und robuster. Hier dominierten Baumwollstoffe und einfachere Schnitte, die Bewegungsfreiheit bei der Arbeit ermöglichten.

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Die Revolution beginnt: Mitte der 1960er

Mit dem Aufkommen der Jugendkultur und der beginnenden Frauenbewegung änderte sich das Bild dramatisch. Designer wie Mary Quant in London und André Courrèges in Paris revolutionierten nicht nur die Oberbekleidung mit Miniröcken, sondern dachten auch die Damenwäsche neu.

1964 stellte der kanadische Designer Rudi Gernreich den „No-Bra Bra“ vor – einen hauchdünnen, ungefütterten BH, der die natürliche Brustform betonte statt sie zu verändern. „Es war ein Skandal und eine Befreiung zugleich,“ schrieb die Modejournalistin Diana Vreeland damals.

Die gehobene Gesellschaft entdeckte die neue Leichtigkeit durch Luxusmarken wie La Perla aus Italien, die feine Spitze und transparente Stoffe verwendeten. Gleichzeitig eroberte Lycra den Markt und ermöglichte elastischere, bequemere Damenwäsche für alle Gesellschaftsschichten.

Eine Anekdote aus dieser Zeit erzählt von einer Pariser Modenschau, bei der die Ehefrau eines Industriellen beim Anblick der neuen, transparenten Dessous in Ohnmacht fiel – nur um wenige Monate später selbst solche Stücke zu tragen.

Die späten 1960er: Farbe und Freiheit

Die späten 1960er brachten eine Explosion von Farben und Mustern in die Unterwäscheschubladen. Psychedelische Prints, Blumenmuster und knallige Farben ersetzten das traditionelle Weiß und Schwarz. Die britische Marke Janet Reger begann, Unterwäsche als Ausdruck von Persönlichkeit zu vermarkten – nicht mehr als korrigierende Notwendigkeit.

In bürgerlichen Kreisen wurden BHs ohne Bügel populär, während die Landbevölkerung die neuen, pflegeleichteren Synthetikfasern zu schätzen lernte. Die Nylonstrumpfhose ersetzte zunehmend Strümpfe und Strumpfhalter – ein praktischer Fortschritt, der von allen Gesellschaftsschichten begrüßt wurde.

Die frühen 1970er: Die BH-Verbrennung und ihre Folgen

Der Mythos der BH-Verbrennungen bei feministischen Protesten (die tatsächlich selten stattfanden) symbolisiert den Geist dieser Zeit. Viele Frauen verzichteten tatsächlich auf den BH – ein Statement für Natürlichkeit und gegen gesellschaftliche Zwänge.

Designer wie Vivienne Westwood begannen, Unterwäsche als Oberbekleidung zu interpretieren. Die Grenzen verschwammen. In der Haute Couture zeigte Yves Saint Laurent Transparenz und Androgynität, während Diane von Fürstenberg mit ihren Entwürfen die selbstbewusste, berufstätige Frau ansprach.

„Meine Mutter erzählte mir, wie befreiend es war, plötzlich ohne Korsett atmen zu können,“ berichtet die Vintage-Sammlerin Claudia Berger. „Es war, als hätte man jahrelang ein zu enges Kleid getragen und könnte endlich die Arme ausstrecken.“

Die späten 1970er: Sportlichkeit und Sinnlichkeit

Mit dem Fitness-Boom der späten 1970er entwickelte sich funktionale, sportliche Damenwäsche. Der erste Sport-BH wurde 1977 von Hinda Miller und Lisa Lindahl entworfen – angeblich durch Zusammennähen zweier Jockstraps entstanden. Eine Revolution für aktive Frauen!

Gleichzeitig erlebte die Dessous-Welt eine Renaissance der Sinnlichkeit. Victoria’s Secret eröffnete 1977 seinen ersten Laden und machte luxuriöse Unterwäsche für die Mittelschicht erschwinglich. In Europa setzten Marken wie Agent Provocateur neue Maßstäbe für verführerische Dessous.

Auf dem Land und in konservativeren Kreisen blieb man zurückhaltender, doch auch hier fanden bequemere Schnitte und pflegeleichtere Materialien Anklang.

Das Erbe dieser Ära

Die zwei Jahrzehnte zwischen 1960 und 1980 haben die Damenwäsche grundlegend verändert. Von rigiden, formenden Korsagen zu selbstbestimmter, bequemer und dennoch ästhetischer Unterwäsche – diese Entwicklung spiegelt den Weg der Frau in der modernen Gesellschaft wider.

Heute erleben wir eine Renaissance dieser Ära. Vintage-Liebhaber suchen nach originalen Stücken aus dieser Umbruchszeit, während moderne Designer sich von den revolutionären Ideen inspirieren lassen.

Die Damenwäsche dieser Zeit erzählt eine Geschichte von Befreiung, Selbstbestimmung und dem Mut, Konventionen zu hinterfragen – eine Geschichte, die bis heute nachhallt und uns daran erinnert, dass selbst das Intimste politisch sein kann.

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